RS-Viren – allgegenwärtig und doch vergessen?

RS-Viren – allgegenwärtig und doch vergessen?

Humanes Respiratorisches Synzytial-Virus – von diesem Zungenbrecher haben wohl die wenigstens schon mal gehört – bis zum Winter 2022. Denn Kinderärzte in Deutschland berichteten von extrem gestiegenen RSV-Fallzahlen bei Säuglingen und Kleinkindern, Praxen und Kliniken gingen bis an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus. RS-Viren greifen Lungen und Atemwege an und können schwere Symptome verursachen. Impfstoffe gegen RS-Viren gibt es hierzulande noch nicht – doch es gibt Neuigkeiten aus den USA und England.

Was sind RS-Viren und wie sind die Symptome?

Akute Atemnot, starkes Husten und schnelle Atmung: gerade bei kleinen Kindern deutet das auf eine RSV-Infektion hin. RSV steht für "Respiratory Syncytial Virus" (zu Deutsch: respiratorisches Syncytialvirus). Es handelt sich um ein sehr häufiges Virus, das Atemwegserkrankungen verursachen kann, insbesondere bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Erwachsenen. Das RS-Virus kann einfache Atemwegsinfektionen hervorrufen, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Während die Welt schon mit Corona als schwerwiegende Lungenkrankheit zu kämpfen hatte, kam im Winter 2022 in Deutschland noch eine RSV-Welle hinzu. Kinderärzte waren am Rande ihrer Kapazitäten: fünfmal mehr Säuglinge und Kleinkinder als normalerweise mussten mit RSV in einer Klinik behandelt werden.

Zu Beginn einer RSV-Infektion treten Husten, Schnupfen oder auch eine Rachenentzündung auf. Nach ein bis drei Tagen können auch die Lunge und die Bronchien betroffen sein, was zu stärkerem Husten führen kann. Allgemein kann sich die Verfassung der betroffenen Kinder deutlich verschlechtern, neben Appetitlosigkeit ist Übelkeit ein häufiges Symptom. Bei schweren Verläufen kann akute Atemnot hinzukommen. Durch die Verschleimung der Bronchien wird das Ausatmen für die erkrankten Kinder sehr schwer, eine schlechte Sauerstoffsättigung und eine Blaufärbung der Haut ist die Folge.

Tückisch an der RSV-Infektion sind die teils unterschiedlichen Symptome, die sich rapide verschlechtern und zahlreiche Arztbesuche in kurzer Zeit nach sich ziehen können: darum werden erkrankte Kinder oft zur Beobachtung stationär aufgenommen.

Woher kam die RSV-Infektionswelle 2022?

Wieso war die RSV-Welle in Deutschland im Winter 2022 so heftig? Die Krankenkasse DAK-Gesundheit hat zu dieser Frage eine Studie in Auftrag gegeben, und die Ergebnisse stützen die Vermutungen vieler Ärzte: Die große RSV-Infektionswelle bei Säuglingen und Kleinkindern ist ein sogenannter Nachholeffekt der Corona-Maßnahmen. Denn durch Kontaktverbot und Kita- sowie Schulschließungen im Winter 20/21 konnten sich kleine Kinder nicht anstecken – und so auch keine Antikörper bilden. Als die Schutzmaßnahmen dann gelockert wurden, stiegen die RS-Infektionen sehr stark an; das Virus holte also auf.

Laut Robert-Koch-Institut (RKI) haben normalerweise bis zu 70% der Kinder im ersten Lebensjahr eine RSV-Infektion, bis zum zweiten Lebensjahr nahezu alle. Doch durch die Corona-Schutzmaßnahmen seien diese Infektionen so gut wie ausgeblieben.

Laut der DAK-Analyse mussten hochgerechnet auf alle in Deutschland lebenden Kinder im letzten Quartal des Jahres 2022 etwa 17.000 unter Einjährige im Krankenhaus behandelt werden. Das seien fünfmal mehr als im gleichen Zeitraum 2018. Gleichzeitig sei der Anteil auf den Intensivstationen um 350 Prozent gestiegen.

Wie kann ich mich mit RSV anstecken?

Das RS-Virus übertrag sich per Tröpfcheninfektion von einem Menschen zum anderen, also beispielsweise durch Husten, Niesen oder infizierte Gegenstände. Denn das Virus kann bis zu 20 Minuten auf den Händen und – so vermutet die Wissenschaft – bis zu mehrere Stunden auf kontaminierten Flächen überleben und ansteckend bleiben.

Grundsätzlich kann man sich in jedem Alter anstecken, auch wenn man bereits eine „passive Impfe“ hinter sich an. Eine langfristige Immunität gegen RSV besteht nicht. Besonders gefährdet sind Menschen mit Lungen-Vorerkrankungen, bestimmten Herzfehlern oder geschwächtem Immunsystem.

Pharmakonzerne in den USA und England entwickeln RSV-Impfstoff

An der Entwicklung eines Impfstoffs gegen die RS-Viren wird bereits seit Jahrzehnten geforscht, zugelassen wurde bislang jedoch keiner. Nun gibt es ein positives Zeichen aus den USA, die ebenfalls eine unerwartet schwere RSV-Welle vermeldet haben. Zwei US-amerikanische Pharmakonzerne haben demnach einen Impfstoff gegen RS-Viren entwickelt – zugelassen werden soll er aber vorerst  nur für Menschen ab 60 Jahren. Vorausgesetzt, die US-amerikanischen Behörden geben grünes Licht, soll der Impfstoff noch in der ersten Jahreshälfte auf den Markt kommen.

Auch das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (GSK) forscht derzeit an einem Impfstoff für das RS-Virus: An einer Studie zur Wirksamkeit haben im Sommer 2021 weltweit bereits 25.000 Menschen teilgenommen. Hier lag der Fokus allerdings auch Seniorinnen und Senioren. In Deutschland haben 200 Menschen über 60 Jahren an dieser Studie teilgenommen; Studienort war das Klinikum Würzburg Mitte.  Der Effekt in der darauffolgenden RSV-Saison im Winter 2021/22 sei signifikant gewesen, berichtete Chefarzt Prof. Tino Schwarz gegenüber der Augsburger Allgemeinen Zeitung im Nachgang der Studie: "In 94 Prozent schützte die Impfung vor einem schweren Verlauf, in 83 Prozent vor leichteren RSV-Erkrankungen." Schwarz weiter: "Die Wirkung bei Senioren ist beeindruckend."

Wie schnell ein RSV-Impfstoff dann auf den europäischen Markt kommt, ist noch nicht abzusehen – aber: Die Zulassung des Impfstoffes von GSK ist in den USA und in der EU bereits beantragt. Der Würzburger Chefarzt Schwarz rechnete gegenüber der Augsburger Allgemeinen damit, dass ein Impfstoff schon vor der kommenden RSV-Saison bereitstehe, das wäre im Sommer 2023.

Das Rennen um den RSV-Impfstoff ist eröffnet, viele weitere Pharmakonzerne wollen mit RSV-Impfstoffen auf einen durchaus großen Markt drängen. Wie auch bei Corona setzen hier die Unternehmen auf mRNA-Impfstoffe. Neben älteren Menschen haben Pfizer und Co eine zweite Zielgruppe im Auge: schwangere Frauen. Denn mit einer Impfung gegen Ende der Schwangerschaft soll die Mutter die Antikörper auf das Ungeborene übertragen und sorgt so für einen Schutz in den ersten Lebensmonaten. Dieses Prinzip der Antikörper-Übertragung wird bereits bei anderen Impfungen angewandt, etwa bei Keuchhusten oder Influenza.

Daneben wird bereits an aktiven und passiven Impfstoffen geforscht; neben einer Impfe kurz nach der Geburt kann damit auch eine Gabe von Antikörpern (passive Immunisierung) möglich sein.

Wie wird auf RSV getestet?

Die sicherste Methode, RS-Viren im menschlichen Körper nachzuweisen, ist ein PCR-Test. Dafür wird ein Nasen- oder Rachenabstrich genommen oder ein Gurgeltest gemacht und im Labor analysiert. Antigen-Schnelltests liefern zwar schneller ein Ergebnis, sind aber weniger spezifisch und liefern weniger gesicherte Ergebnisse. Bei Bluttests wird nach RSV-Antikörpern gesucht; diese Tests liefern fundierte Aussagen zu bereits überstandenen RSV-Infektionen, jedoch sind sie für die akute Diagnose weniger hilfreich.

Quellen:

RKI - RKI-Ratgeber - Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV) Wie sicher sind die neuen RSV-Impfstoffe aus den USA? (faz.net) Würzburg: Kampf gegen RS-Virus mit Hilfe aus Würzburg: So schnell kommt jetzt der Impfstoff für Senioren und Schwangere (augsburger-allgemeine.de)

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